Anthroposophen hier und heute, Teil 1: Strick-Muster

Was würden Sie von einem altgedienten Waldorflehrer halten, der bei jeder – zumeist zufälligen – Begegnung ein unsichtbares Büßergewand trägt, weil er glaubt, dies tragen zu müssen, um sein Karma wieder einigermaßen ins Lot zu bringen? Sie können und müssen sogar ehrlich antworten, gerade weil die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit dieses real existierenden Mannes längst so sehr gelitten hat, daß sich derlei absichtsvolles Mißverhalten bei anderer Gelegenheit nicht unbedingt wiederholen muß. Der da so um sein Karma, also den ungetrübten, bestenfalls verheißungsvollen Fortbestand seiner angestrebten nächsten Leben, besorgt ist, ist mehrfach an leitender und verantwortlicher Stelle im Waldorfgetriebe tätig. Man sieht ihn gerne und oft schmunzeln; nur leider ist es so gut wie ausgeschlossen, die wahren Gründe hierfür in Erfahrung zu bringen. Vielleicht lächelt er seinem Schicksal ins Gesicht, getrieben von der Hoffnung, damit soviel positive Oberfläche aufgebaut zu haben, daß alles Darunterliegende gar nicht erst zum Zuge kommen braucht. Menschen wie er haben schon eine ganze Menge dazu beigetragen, der Waldorfbewegung nach außen hin ein verbindlich-harmloses Gesicht zu verleihen. Auf Menschen wie ihn haben sicherlich schon sehr viele arglose Menschen gebaut. Immer in der Erwartung, daß könne doch eigentlich nur gutgehen, wenn Menschen wie er an entscheidenden Stellen im Waldorfgetriebe richtig viel zu sagen haben. Aber dann passiert es eben doch: Ein paar wenige unvorsichtige Worte, Vokabel gar, hinter denen sich doch tatsächlich angemessen-kritisches Gedankengut verbirgt, und ein richtiger Waldorflehrer wie unser scheinbar stets gutgelaunter Protagonist dreht ihnen daraus einen Strick. Den legt er seinen auserwählten Gegenspielern dann so sanft, kaum spürbar um den Hals, daß scheinbar alles wie gehabt seinen nicht weniger auserwählten Gang geht. Doch Tage oder Wochen später hat sich dieser Strick plötzlich zugezogen, und es ist ihnen klargeworden, daß sie eine Strafe nach Waldorfart ereilt hat: Bann, Ächtung, Verleumdung und Lüge. Solche Dinge tragen sich wahrhaftig zu unter resoluten, ernstmeinenden Anthroposophen hier und heute. Es gibt leider keinerlei Statistiken über diese unsäglichen Vorgehensweisen, wie sie sich hintenherum und verschwiegen in dem Maße ereignen, wie die reine anthroposophische Lehre auf dem Spiel zu stehen scheint. Mein Eindruck ist, sie scheint sehr viel öfter auf dem Spiel zu stehen, als daß es ein modernistisches Gewand gänzlich anders glauben machen will. Und schon sind wir wieder bei den Gewändern: Der eine (der explizit Waldorfbewegte) im Büßergewand, die andere (die Waldorfbewegung) in zeitgemäßer Verkleidung. Es fällt wahnsinnig schwer, dem anthroposophischen Alltag das eine weniger und das andere mehr anzulasten, weil beide den unbedingten Eindruck des Nichtvorhandenseins kosmetisch-korrigierender Einflußnahme erwecken wollen. Und doch sind sie alle gut dabei: Die mit den seltsam zur Schau getragenen Schuldgefühlen, die ganz ohne, die in trendig-poppiger Kleidung und die ganz ohne, weil manches geht halt doch zu weit, verträgt sich zeitgemäße Modenschau mit eintönigem Engelsgewand nicht wirklich. Büßergewand und Bühnenkostümierung, die zwei oberflächlichen Seiten einer Medaille, deren Klang und Bewegungsmuster (um nicht zu sagen: Strick-Muster) doch derselbe ist, wenn sie zu Boden fällt:  Grell scheppernd, immer um sich selbst drehend und irgendwie hohl…

Fortsetzung folgt.

4 Gedanken zu “Anthroposophen hier und heute, Teil 1: Strick-Muster

    1. ich schreib hier auch!
      -und werde mir erlauben gelegentlich da mal rüber zu verlinken!
      Bei „Strickmuster“ hatte ich übrigends sofort Assoziationen mit karmischen „Verstrickungen“ bei Hellinger.
      Auch Typen dort aus der Gegend.
      LG.

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